Schattenwelten
Margrit Rosa Schmid hat 144 Schatten-Skizzen, Schatten-Texte und Schatten-Objekte für die Fächliwand im Bistro Wärchbrogg geschaffen.

Schatten-Skizzen
Der Schatten sei der Ursprung für die Schönheit der Malerei, schreibt Bartolomé Esteban Murillo auf einer Kartusche in der rechten unteren Bildecke seines Werkes «Der Ursprung der Malerei». Schatten sei Ursprung der Malerei überhaupt, meint der in Como geborene Plinius der Ältere. Vor über 2000 Jahren schreibt er in «Naturkunde» (Buch XXXV, Farben, Malerei, Plastik): «… alle sagen, man habe den Schatten eines Menschen mit Linien nachgezogen; deshalb sei die erste Malerei des Menschen so beschaffen gewesen.» Und Leonardo da Vinci präzisiert Ende des 15. Jahrhunderts im «Traktat von der Malerei»: «Die erste Malerei bestand nur aus einer Linie, die den Schatten eines Menschen umzog, den die Sonne auf der Wand verursachte.»
Um Schatten und Schattenwerfende geht es auch im Höhlengleichnis, dem wohl populärsten philosophischen Text in dem vor über 2400 Jahren verfassten Werks Politeia von Platon. Im siebten Kapitel unterhält sich Sokrates mit Glaukon, Platons Bruder. Er will ihm seine Philosophie in Bildern erklären, mit Schattenbildern und Schattenwerfenden, und fragt, was ist das Sichtbare, was das Erkennbare?
Das Höhlengleichnis ist bis heute beliebter Gegenstand in Philosophie und Dichtung, im Theater oder der Filmkunst. Auch der südafrikanischen Künstler William Kentridge bezieht sich in seinen multimedialen Arbeiten auf Platons Höhlengleichnis. Für ihn sind Schatten Wahrheit, Abbilder vergangener Ereignisse.
Schatten-Objekte
In der Mitte der Fächliwand steht hinter den Schatten-Objekten (Zahlen 1–24) der Adventskalender. Ab dem 1. Dezember wird täglich ein Zahlenfenster geöffnet, dahinter werden die Schatten-Objekte sichtbar.
Schatten-Texte
Viele Denker und Dichter beschäftigen sich zeitlebens mit dem Schatten. Manch Schattenwort steht unscheinbar im Schatten eines Gedichts, einer Dichtung. Oft ist es dieses Schattenwort, das dem Werk eine geheimnisvolle Schönheit zu verleihen vermag:
Wenn es gegen Mittag geht
sind die Schatten nur noch die schwarzen,
scharfen Ränder am Fuss der Dinge.
Walter Benjamin. Kurze Schatten.
Darum irr ich umher, und wohl,
Wie die Schatten, so muss ich leben.
Friedrich Hölderlin. Schatten.
Mein Schatten ist in dieser Welt tatsächlich allzu gross.
Franz Kafka. Tagebuch, 29. Januar 1922.
Wo Schatten existieren, strahlt auch Licht;
wer einen Schatten hat, besitzt auch einen Körper.
Robert Walser. Schatten.
Als ging ihm, angeheftet seinem Fuss,
sein Schatten hinterher.
Johann Wolfgang von Goethe. An Zachariä.
Interpretieren heisst, die Welt arm und leer machen –
um eine Schattenwelt zu errichten.
Susan Sontag. «Gegen Interpretation».



